Maltes Meinung

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Gedichte für die Freiheit und anderer Kram, für den man sich nichts kaufen kann.
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1 Jahr, 8 Monate her

**Teil III

Sebastian und der böse Blick** (10/10)

Deren Bürgern kamen die geschilderten Ereignisse bald wie ein seltsamer Traum vor. Wenn sie einem der 12 blinden Bettler begegneten, senkten sie die Köpfe und beschleunigten ihre Schritte. Man war stillschweigend übereingekommen nicht darüber zu sprechen. Fehler waren auf beiden Seiten gemacht worden und es galt nach vorne zu schauen. Man wollte vergessen und man vergaß.

Leicht wurde den Bürgern das nicht gemacht. Bald war die Stadt im ganzen Königreich berühmt und mit dem Ruhm kamen die Touristen. Es waren Schaulustige, Leute mit schlechten Manieren und ohne Taktgefühl, welche einmal dieses Volk, das über Monate mit Sonnenbrillen in der Finsternis saß, mit eigenen Augen bestaunen wollten. Ihr Geld nahm man gerne, aber auf ihre neugierigen Fragen und erstaunten Blicke hätte man lieber verzichtet. Man wollte vergessen.

Sebastian konnte nicht vergessen und er wollte auch nicht. Nach jeder Beerdigung stand er in seinem Haus vor einem Spiegel verfluchte sein Schicksal. Er hatte es doch gut gemeint und alles gegeben! Was konnte er nun noch tun? Die Augen wollte er sich ausstechen und in den nächsten Brunnen springen, aber das wäre der einfache Weg und ein Feigling war er nie gewesen. Seine Stadt würde ihn noch brauchen und er würde dann zur Stelle sein und seine Pflicht erfüllen. Er holte weit aus, zertrümmerte den Spiegel und legte ein Gelübde ab: Bis ans Ende seiner Tage würde er eine Sonnenbrille tragen und sie auch im Schlaf nicht ablegen. Sie sollte ihn immer daran erinnern, dass unter widrigen Umständen selbst er irren konnte.

Dieses Gelübde hielt er eisern ein. Seine Stadt sollte ihn tatsächlich noch mehrfach brauchen und Sebastian hatte noch manches Abenteuer zu bestehen. Dies aber sind Geschichten für einen anderen Tag.

„Und hat mit diesem kindisch-tollen Ding
der Klugerfahrne sich beschäftigt,
so ist fürwahr die Torheit nicht gering,
die seiner sich am Schluß bemächtigt.“
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1 Jahr, 8 Monate her

**Teil III

Sebastian und der böse Blick** (9/10

Der Quacksalber hielt eine Flasche mit einer braunen Flüssigkeit in die Höhe und fuhr fort:

*„Jeder ausgewachsene soll drei Teelöffel von diesem Elixier einnehmen und zwei Wochen später nochmal drei Teelöffel. Wie jede gute Medizin schmeckt dieser Saft bitter und es kann auch zu einer Erstverschlimmerung kommen. Ich versichere Euch aber, dass dieses Elexir sehr gut ist. Die Astrologen der Universität Bagdad haben errechnet, dass es einen Schutz von mindestens 95% bietet und im ganzen Morgenland wird es mittlerweile mit großem Erfolg angewendet.

Euren Kindern solltet ihr diese Medizin nicht geben. An Kindern wurde es kaum erprobt und das Mittel ist einfach zu stark für solch kleine Körper. Alle ausgewachsenen sollen es nehmen und werden damit auch indirekt unsere lieben Kleinen schützen. Lasset uns geschwind das finanzielle regeln, dann kann ich sofort mit der Ausgabe beginnen und bald wird wieder alles so sein wie früher.
Gerne würde ich bleiben und mit euch feiern, aber ich muss so schnell wie möglich wieder aufbrechen. Vor diesen Toren sterben weiter Menschen und ich muss so schnell wie möglich zurück ins Morgenland weiteres Elixier zu beschaffen. Bis es nicht in den letzten Winkel unseres Königreiches gebracht wurde, werde ich nicht ruhen. Dann erst darf ich mir Rast gönnen und Freude erleben. Ich werde zu euch zurück kehren, meine allerliebsten Freunde. Unter euch will ich fortan leben und bei euch will ich mein Leben beschließen. Bis zu meiner Rückkehr wird noch viel Zeit vergehen und ihr werdet bis dahin manches Fest gefeiert haben. Das Fest, dass wir dann aber feiern werden, wird alle vorigen in den Schatten stellen. Ich gebe euch mein Ehrenwort.“*Es wurde applaudiert. Freudenschreie ertönten und nicht wenige Bürger hatten Tränen in den Augen. In den letzten Monaten standen sie pausenlos unter höchster Anspannung. Die Sorgen hatten sie fast erdrückt. Es war viel getrunken worden und manch Familienvater hatte Frau und Kinder über das gesunde Maß hinaus verprügelt. Nun war all dies vorbei und eine schlimme Last fiel von den Menschen. Sie lagen sich in den Armen und priesen den Quacksalber.

Noch in der selben Nacht konnte mit den Behandlungen begonnen werden, aber dies verlief nicht ohne Zwischenfall. Wieder war es der Arzt, welcher Ärger machte. Als der Stadtkrämer gerade den Quacksalber bezahlen wollte, riss sich der Arzt den Sack vom Kopf, bestieg eine Kiste und wollte etwas sagen. Er kam nicht mehr dazu, denn einer der Wachleute, - es war jener, der ihn einstmals im Keller geschlagen hatte -, zog ein Messer und rammte es dem Doktor ins Auge. Augenblicklich tat es dem Wachmann leid, aber es war zu spät. Der Doktor war tot.

Auch Sebastian war nicht glücklich. Um ihn herum feierten die Menschen ihre Freiheit, dachten dabei nur an sich und vergaßen, dass noch nicht jeder gerettet war. Wer würde an die Kinder denken, die dem bösen Blick noch immer schutzlos ausgeliefert waren und noch auf Jahre nicht zur Normalität übergehen können würden? Was war mit deren Eltern, die sich weiter um sie sorgen mussten? Jemand musste etwas tun.
Wieder war es Sebastian, der Verantwortung übernahm. Als in einem günstigen Moment alle wegsahen, nahm er eine Flasche Elixier und verbarg sie in seinem Mantel. In den nächsten Nächten machte er heimliche Hausbesuche und jedes Kind, dessen Eltern er überzeugen konnte, erhielt das Heilmittel. Der Aberglaube saß damals noch tief im Volke und viele Eltern wollten zuerst nicht, aber mit seiner silbernen Zunge und guten Argumenten, vor allem mit viel Geduld gelang es ihm die meisten zur Vernunft zu bringen.

Der Quacksalber ritt unterdessen Tag und Nacht. An jeder Poststation kaufte er frische Pferde, er konnte es sich nun leisten. Als die ersten Menschen krank wurden, hatte er bereits drei Königreiche zwischen sich und die Stadt gebracht.

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1 Jahr, 8 Monate her

**Teil III

Sebastian und der böse Blick** (8/10)

Sebastian führte die Anklage. Er erhob sich: „Verehrtes Gericht, meine lieben Mitbürger. Dieser Fall liegt denkbar einfach und ich will eure Zeit nicht über Gebühr in Anspruch nehmen. Nur zwei Fragen habe ich. Erstens: Herr Müller“ , Sebastian sprach einen der 12 Angeklagten auf der hinteren Bank an, „ Haben sie und die anderen sich gestern bei Tageslicht und ohne Sonnenbrille vor dem Rathaus versammelt?“- „Ja, das haben wir, denn ...-“ Der Richter unterbrach: „Der Angeklagte hat die Frage beantwortet. Fahren sie fort, Herr Staatsanwalt.“Herr Doktor, haben sie die anderen Angeklagten dazu aufgerufen, sich bei Tageslicht und ohne Sonnenbrille zu versammeln?“
- „Ja, das habe ich, weil...-“
, wieder unterbrach der Richter: „Auch diese Frage wurde beantwortet.“Sebastian war zufrieden: „Da die Angeklagten geständig sind, können wir die Beweisaufnahme schließen. Ich beantrage, dass den Nebenangeklagten die Augen ausgestochen werden. Ihr Augenlicht würden sie so oder so als erstes verlieren, so werden sie zumindest überleben und können keine Unschuldigen mehr gefährden. Dem Hauptangeklagten soll zusätzlich die Zunge herausgeschnitten werden, denn seine Lügen sind eine Gefahr und haben uns erst in diese Situation gebracht.“Der Richter räusperte sich: „Hmhm, ich denke, dass wir unter diesen Umständen auf das Plädoyer der Verteidigung verzichten können. Nach reiflicher Überlegung ergeht nun also im Namen des Volkes folgendes ...-“Da wurden die Türen aufgestoßen und herein stürmte der Herold:
„Wir sind gerettet! Der Quacksalber ist zurück und spricht gerade auf dem Marktplatz. Kommt alle, kommt schnell!“Die Verhandlung wurde unterbrochen und alle eilten zum Marktplatz, wo der Quacksalber von einer Menschenmenge umringt wurde. Er sprach:
„ Es gibt tatsächlich ein Heilmittel. Das Elixier bietet guten Schutz und mir ist es gelungen, eine ganze Kiste davon zu erwerben, genug für die ganze Stadt. Teurer als erwartet war es, das will ich nicht verhehlen. Die Herstellung ist aufwendig und die Alchemisten verwenden kostbare Zutaten. Ich musste zudem Bestechungszahlungen leisten um überhaupt berücksichtigt zu werden, denn groß ist die Nachfrage und klein das Angebot. Tief musste ich mich verschulden um ausreichend Heilmittel für alle hier zu erhalten, aber ich konnte dies ruhigen Gewissen wagen, kenne ich doch die großartigen Bewohner dieser Stadt. Ihr seid aufgeklärt, fortschrittlich, ihr seid wahre Humanisten. Für euch ist ein Menschenleben eben keine nackte Zahl in einer kalten Statistik. Über so etwas nebensächliches wie Geld werden wir uns nicht streiten., dass weiß ich.
Lasst uns lieber über die guten Nachrichten sprechen!“!
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1 Jahr, 8 Monate her

**Teil III

Sebastian und der böse Blick** (7/10)

Sebastian gab seinen Leuten ein Zeichen und diese trieben die Andersdenker zusammen, zogen ihnen Säcke über die Köpfe und nahmen sie fest. Der Prozess wurde gleich in der nächsten Nacht eröffnet. Den Andersdenkern gewährte man Gnade, wenn sie Abbitte leisteten und versprachen künftig Brille zu tragen und nicht mehr zu lügen. Die meisten nahmen dieses Angebot an.
12 unverbesserliche Starrköpfe saßen mit Säcken über den Köpfen auf der Anklagebank und abgesondert von ihnen auf der Bank davor, ebenfalls mit einem Sack über dem Kopf, der Arzt. Der Gerichtssaal war prall gefüllt. Auf den Zuschauerbänken saßen Menschen mit Sonnenbrillen, einige waren zur Sicherheit zusätzlich durch einen Sack geschützt. Der Richter sorgte für Ruhe:
„Wir haben uns hier versammelt um die Wahrheit zu ermitteln und Gerechtigkeit zu üben. Gerade in dieser schweren Zeit müssen wir unsere Maßstäbe hoch halten. Wir befinden hier über das Schicksal von 13 Angeklagten, aber im weiteren Sinne steht heute unsere ganze Stadt vor Gericht. Sind wir zivilisiert oder sind wir es nicht? Die Anforderungen für eine Verurteilung sind hoch. Für die Justiz zählen nur Beweise und diese müssen wasserdicht sein. Besser ist es einen schuldigen laufen zu lassen als einen Unschuldigen zu bestrafen. Unsere Vorfahren sind für dieses Prinzip gestorben und dieses Gericht wird es in Ehren halten. Ich werde jedoch nicht zulassen,-“, hiermit erhob der Richter drohend seinen Zeigefinger und wendete sich der Anklagebank zu, „ dass dieser Saal für Agitation und Propaganda missbraucht wird. Der Staatsanwalt hat das Wort.“https://t.me/Maltes_Meinung

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1 Jahr, 8 Monate her

**Teil III

Sebastian und der böse Blick** (6/10)

Den Anfang machte der Arzt: „Ich kenne Seuchen. Während der großen Pest habe ich meinen Mann gestanden. Gäbe es den bösen Blick, so würden sich die Leichen in den Straßen stapeln wie damals. Was ist das für eine Krankheit, an der niemand stirbt? Sagt mir Sebastian: Wie viele Menschen sind bisher am bösen Blick gestorben?“- “Weil wir alle vernünftig waren und Sonnenbrillen trugen, haben wir Gott sei Dank nur zwei Opfer zu beklagen. Es waren Handwerker, die ihre Brillen abnahmen und sich minutenlang Angesicht zu Angesicht unterhalten haben. Dann brach das Gerüst, auf welchem sie standen und stürzten beide in die Tiefe.“- „Also haben sie sich das Genick gebrochen und sind nicht am bösen Blick gestorben?“, fragte der Arzt.

Sie haben sich das Genick gebrochen und sind am bösen Blick gestorben. Nach so langem Blickkontakt wären ihnen bald die Augen zerplatzt, wären Finger und Zehen abgefallen und hätte sich schließlich ihre Haut abgelöst. Gott hatte Erbarmen und ihnen zuvor das Genick gebrochen. Jedes Leben ist kostbar und ich weine ehrlich um die beiden Verschiedenen. Trotzdem danke ich Gott - “, an dieser Stelle hob Sebastian seine Stimme und wendete sich an die Menschen mit den Sonnenschirmen, „ danke ich Gott, dass die Bürger dieser Stadt so vernünftig waren und deshalb bei uns nur zwei Menschen am bösen Blick gestorben sind, während andernorts die Seuche fürchterlich gewütet hat.“Wieder der Arzt: „Noch vor wenigen Wochen bin ich weit gereist. Gestorben und vor allem gelebt wird wie eh und je. Außerhalb hat man vom bösen Blick noch nichts gehört. Das ganze Königreich wird bald lachen über diese Stadt.“Es wurde gemurmelt und anerkennend genickt. Diese Worte machten Eindruck und Sebastian fühlte, dass ihm die Situation entglitt. Er fuhr also seine schwersten Geschütze auf und schrie so laut er konnte in seine Flüstertüte. Auch der Arzt sagte etwas, aber man verstand nur Sebastian:

„Ein Pfuscher, ein Schwätzer, ein Ketzer bist Du! Mehr als 20 einhellige Gutachten hat die astrologische Fakultät erstellt und du Wissenschaftsleugner gehst darüber hinweg, als wäre dies nichts. Sollen wir etwa glauben, dass Du klüger bist als alle Professoren, als der Bürgermeister, der Pfarrer, der Apotheker und der Quacksalber? Während du hier deine Lügen verbreitest und hetzt, stirbt die halbe Menschheit am bösen Blick!“An dieser Stelle zeigte Sebastian auf die Menschen, welche den Arzt umstanden:
„Bürger, schaut euch genau an, wer sich hier versammelt hat. Dort steht ein Jude und da ist auch einer. Lasst euch den Verstand nicht vernebeln, fallt nicht auf diese Menschen herein. Sie stehen mit Juden zusammen und mehr braucht man über sie nicht zu wissen. Ich kenne euch gut und weiß, das ihr etwas besseres seid als diese Gestalten!“https://t.me/Maltes_Meinung

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1 Jahr, 8 Monate her

**Teil III

Sebastian und der böse Blick** (5/10)

"Ich sage euch aber: Auch diese Vorsichtsmaßnahme braucht ihr nicht zu treffen. Ja, es gibt Krankheiten und wir werden alle einmal sterben. Entscheidend ist jedoch nicht, wie wir sterben, sondern wie wir leben. Dieses Dasein im Schatten ist kein Leben, sondern ein Vorgriff auf den Tod. Die Angst isst Eure Seele auf. Tretet in die Sonne und wärmet euch!“So sprach der Arzt und ging von Keller zu Keller. Nicht überall nahm man seine Worte gnädig auf, bedeutete seine Rede doch, dass Bürgermeister, Optiker, Astrologe und Pfarrer, dass Universität und Kirche alle zusammen falsch lagen. War so etwas möglich und was hätte es zu bedeuten? Dieser Gedanke war noch furchteinflößender als der böse Blick und deshalb wollten sich die meisten nicht auf ihn einlassen. Andere hörten dem Arzt zu, denn er redete, so ungeheuerlich seine Behauptungen auch waren, verständig und überzeugend.
Anfangs war es ein Gerücht: Andersdenker, - so nannte man sie bald -, leugneten den bösen Blick. In den Kellern sollten geheime Zusammenkünfte abgehalten werden, sogar bei Tageslicht. Dort würden Kerzen entzündet und verbotene Worte gesprochen. Auch Sebastian hörte davon.

Drei Wochen nach Abreise des Quacksalbers saß er wie jeden Abend am Feuer und schaute in die Glut. Eigentlich war dies verboten, aber auf seine Schultern drückte eine große Last und er brauchte diese Momente. Seine Arbeit war in der letzten Zeit immer schwerer geworden. Mehr und mehr Menschen trugen ihre Brillen tief auf der Nasenspitze und redeten sich, von seinen Helfern darauf angesprochen, damit heraus, sie sei ihnen eben erst heruntergerutscht. Andere erdreisteten sich ganz ohne Brille zu gehen und faselten, sobald man sie zur Rede stellte, unglaublichen Unfug. Sebastians Mannen hatten viel zu tun. Besonderen Ärger machte ein Mann, dem einst von Räubern Nase und Ohren abgeschnitten wurden. Er hatte sich eine Bescheinigung vom Optiker besorgt, dass es ihm aus physiologischen Gründen unmöglich sei eine Brille zu tragen und verlangte, dass man ihn, obwohl unbekleidet, in die Geschäfte lasse.
Mit solchen Angelegenheiten musste Sebastian sich plagen. Er sah in die Glut, Funken sprühten. Bisher hatte er seine Sache gut gemacht, war man gut durch die Seuche gekommen. Bald sei alles ausgestanden, man müsste nur noch einige Tage… Wenn nur die einfältigen Menschen durch ihrer Torheit nicht alles Erreichte im letzten Moment zu Nichte machen… Alles strebte einem Finale zu, einem entscheidenden Moment und Sebastian spürte, das er gebraucht wurde wie nie zuvor. Er löschte das Feuer und begab sich zum Bürgermeister Vorkehrungen zu treffen.

Die Stunde der Wahrheit kam früher als erwartet. Als am nächsten Tag die Sonne am höchsten stand, wurde es plötzlich laut. Ein wütender Mob hatte sich vor dem Rathaus versammelt und machte Lärm. Keiner trug eine Sonnenbrille. Auf einem Podest stand der Arzt, verlangte nach dem Bürgermeister um dumme Fragen zu stellen. Die Menge grölte und ließ sich völlig gehen. Einige tanzten im Sonnenschein, als gäbe es den bösen Blick nicht. Der Tumult lockte andere aus ihren Kellern. Mit Sonnenschirmen in der Hand und Sonnenbrillen auf der Nase standen sie im Schatten der Häuserfluchten und beobachteten das Treiben aus sicherer Entfernung. Die Stimmung drohte zu kippen, aber Sebastian hatte alles bedacht.

Seine Leute umstellten den Platz, Säcke in der einen und Knüppel in der anderen Hand. Säcke würde es brauchen und Knüppel ebenfalls, aber in diesem Moment kam es auf Logik und Argumente an. Sebastian bestieg eine Leiter und sprach in eine Flüstertüte. Beides hatte der Arzt nicht und so trugen Sebastians Worte viel weiter als die des Doktors. An den Pöbel vor ihm wandte er sich nicht, dieser war verloren. Die Menschen mit den Sonnenschirmen suchte er zu erreichen und dies sollte ihm gelingen.

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1 Jahr, 8 Monate her
**Teil III

**Teil III

Sebastian und der böse Blick** (4/10)

Die Guten Nachrichten verbreiteten sich wie ein Lauffeuer. Als der Herold nach Sonnenuntergang die Stadtbewohner zum Marktplatz rief, wussten bereits alle Bescheid. Sie setzten ihre Sonnenbrillen auf und kamen. Der Bürgermeister stand auf einer Erhöhung und sprach einige einleitende Worte:

„Liebe Mitbürger!
Ich bin so stolz euch dienen zu dürfen. Große Entbehrungen haben wir ertragen, sind dafür aber bisher gut durch die Seuche gekommen. Draußen in der Welt sieht es wüst aus und bei uns sind nur zwei Menschen am bösen Blick gestorben. Das haben wir nur eurer Vernunft zu verdanken. Applaudiert euch bitte einmal selbst, ihr habt es verdient.
Wir sind der Wissenschaft gefolgt und werden nun belohnt. Unser treuer Freund und guter Ratgeber bringt frohe Kunde aus der Ferne. Am Ende dieses dunklen Tunnels erscheint ein Licht und wir müssen nur noch wenige Wochen durchhalten. Er soll selbst sprechen.“
Damit übergab der Bürgermeister an den Quacksalber:

„Liebe Freunde!
Ja ich sage Freunde! Vor drei Monaten kannte ich noch keinen von euch, aber seitdem seid ihr mir ans Herz gewachsen und ich betrachte euch als Freunde, für die ich jedes Risiko einzugehen bereit bin.
Die letzten Tage habe ich mich in die Welt gewagt. Schlimm sieht es dort aus. Unsere Nachbarstadt ist ein einziger Friedhof. Die Leichen werden nicht beerdigt, es ist ja auch kaum jemand mehr da die Arbeit zu erledigen. Immerhin, einige haben überlebt und diese haben gute Nachrichten: An einer Akademie im Morgenland wurde ein Heilmittel gefunden! Die Alchemisten dort kochen Tag und Nacht und können doch die große Nachfrage nicht befriedigen.
Ich will es auf mich nehmen und geschwind dorthin reiten um uns etwas von diesem rettenden Elixier zu beschaffen. Stattet mich mit schnellen Pferden und ausreichenden Mitteln aus und der Schrecken des bösen Blicks wird bald nurmehr ein Schauermärchen aus ferner Vergangenheit sein, das wir unseren Kindern erzählen.“
Der Quacksalber brachte es fertig diese Worte mit ernster Mine und feierlicher Stimme zu sprechen ohne dabei in Lachen auszubrechen. Die Menge war ergriffen. Nach so vielen Wochen voll Todesangst gingen alle auf dem Zahnfleisch, waren müde und erschöpft. Als sie die Worte „Heilmittel“, „Elixier“, „Rettung“ hörten, ging ein großes Aufatmen durch die Reihen. Noch an Ort und Stelle wurde eine Sondersteuer beschlossen. Die Menschen gaben gerne und wenig später wurde der Quacksalber unter Tränen der Hoffnung verabschiedet.

```
Der Arzt stand etwas Abseits und raufte sich die Haare...

```
In den nächsten Nächten schlich er von Keller zu Keller:
„Liebe Nachbarn!
Es wird euch erschüttern, aber ihr müsst die Wahrheit erfahren. Der Quacksalber ist ein Quacksalber und lügt. Durch drei Königreiche, dabei durch ein dutzend Städte und über hundert Dörfer bin ich in den letzten Wochen gekommen. Keines davon war ein Friedhof. Überall blüht das Leben und vor dem bösen Blick fürchtet man sich nur hier.
Eure Sonnenbrillen braucht ihr nicht; sie sind nur ein Symbol eurer Unterwerfung und Treiber eurer Angst. Von einer Krankheit, die durch Augenkontakt weiter gegeben wird, ist nichts bekannt. Jeder Arzt weiß, dass Krankheiten durch giftige Dämpfe übertragen werden. Wenn ihr euch unbedingt schützen wollt, dann tragt Atemschutzmasken. Am besten sind solche mit einem gebogenen und spitz zulaufenden Schnabel ähnlich dem der Krähen.
"

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1 Jahr, 8 Monate her

**Teil III

Sebastian und der böse Blick** (3/10)

Dieser wartete die Nacht ab, setzte die Sonnenbrille auf und begab sich zu einem Freund um zu erfahren, was in seiner Abwesenheit geschehen war.

„Ach, es ist alles so schrecklich!“, klagte der Freund. „Als Kind wurde mir beigebracht dem Gesprächspartner in die Augen zu sehen und ich habe meine Kinder das gleiche gelehrt. Nun schauen alle Menschen scheu zu Boden und täten sie es nicht, so müssten sie gefrieren bei Ansicht dieser schwarzen, spiegelnden Gläser, denn kalt und böse sehen die Menschen darunter aus. Wie kann man sich verlieben ohne einander tief in die Augen zu schauen und was ist das Leben ohne Liebe? Ich bin ein alter Mann und habe all dies ausgekostet, aber die Jugend tut mit so leid und auch ich leide. Ein Buch zu lesen, mal wieder ein Bild zu betrachten oder mich in der lieben Sonne wärmen zu können, ...- für dieses Glück würde ich gerne am bösen Blick verrecken. Ach, es ist alles so schrecklich!“Der Arzt entzündete eine Kerze und der Freund starb fast vor Schrecken, aber der Arzt ergriff mit beiden Händen die des anderen und sprach mit sanfter Stimme: „Alles wird wieder gut, lieber Freund. Erzähle von Anfang an und wir finden eine Lösung. Es gibt immer eine Lösung.“Der Arzt hatte seinem Freunde erfolgreich Mut gemacht, aber als er dessen Haus verließ geriet er ins Taumeln. Schwindelig war ihm und er wollte schreien, doch er bekam Atemnot und fiel auf die Knie. Die Erzählung des Freundes hatte ihm den Boden unter den Füßen weggerissen. Woran konnte man noch glauben? Worauf konnte man noch vertrauen?
Auf seiner Reise war er durch viele Dörfer und Städte gekommen und überall verlief das Leben wie ehedem. Nur in seiner Heimatstadt waren die Leute offenbar übergeschnappt und zwar alle, vom Straßenfeger bis zum Astrologen. Wie konnte all dies sein?

Zwei gegensätzliche Gedanken ergriffen gleichzeitig von ihm Besitz und stritten miteinander. Der eine lautete:
„Flieh, du Narr, solange du kannst! Diese Stadt ist verloren. In drei Städten hast du reiche Verwandte. Sie werden dich aufnehmen und gute Ärzte werden überall gebraucht.“Der andere Gedanke war stärker:
„Bleibe und kämpfe! Es sind deine Nachbarn, deine Freunde, die hier verderben. Magst Du auch zu Grunde gehen, du darfst sie nicht im Stich lassen!“Beide würden es entschieden abstreiten, aber der Arzt und Sebastian waren sich ähnlich. Fortan zogen sie an zwei entgegengesetzten Enden eines Seiles und wollten doch das Gleiche, nämlich das Beste für Ihre Nachbarn. Beide bewiesen Courage und beide sollten sie einen hohen Preis dafür bezahlen...

An diesem Tag hatte der Quacksalber die letzten Wohnungen durchsucht. Er hätte zufrieden sein können. Er nahm nur kleine Dinge, die sich leicht transportieren ließen. Mit mehr als einem Fuhrwagen wollte er sich nicht belasten, denn am Ende würde er schnell reisen müssen. Einiges hatte er gefunden: Schmuck, Uhren, Silberbesteck und sogar Münzen. Dazu kam die Provision des Optikers. Sein Wagen war zur Hälfte beladen und von diesen Reichtümern würde er fortan gut leben können, aber der Quacksalber wollte mehr. Ihre Geldbörsen und die besten Sachen hatten die Stadtbewohner in ihre Keller mitgenommen und nachdem sein Streich so viel besser geglückt war als er sich in seinen kühnsten Träumen ausgemalt, sann der Quacksalber, wie er auch an den Rest gelangen könnte. Er stand gerade in der Apotheke, da fiel sein Blick auf eine Flasche mit einer braunen Flüssigkeit und hatte er eine Erleuchtung...

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