Ich war ein Sohn, dem es schwer fiel, unter einem Dach mit seinem Vater zu leben, wegen seiner ständigen „Bemerkungen“. Er sagte immer:

„Schalte den Ventilator aus, wenn du ihn nicht benutzt. »
„Der Fernseher ist an, während niemand im Raum ist, schalte ihn aus! »
„Schließ die Tür.“
„Verschwende nicht so viel Wasser.“

Diese kleinen Bemerkungen haben mich genervt. Ich fand, dass mein Vater sich zu sehr in diese unbedeutenden Details einmischt.

Eines Tages erhielt ich eine Einladung für ein Vorstellungsgespräch. Ich dachte: „Sobald ich diesen Job habe, werde ich diese Stadt verlassen und nie wieder die Sticheleien meines Vaters hören.“

Bevor er ging, gab mir mein Vater ein paar Ratschläge: „Beantworte die Fragen mit Vertrauen, auch wenn du die Antwort nicht weißt.“ Er hat mir auch etwas mehr Geld gegeben, als ich für die Reise gebraucht habe.

Als ich am Ort der Bewerbung ankam, bemerkte ich, dass kein Wachmann am Eingang war, und die Tür war weit offen stand, was die Passanten stören konnte. Instinktiv schloss ich die Tür, bevor ich reinkam.
Auf dem weiteren Weg sah ich Blumen an beiden Seiten des Durchgangs, aber der Gartenschlauch war falsch platziert, das Wasser lief über und breitete sich unnötig aus. Ich habe an meinen Vater gedacht und den Schlauch verlegt, um die Pflanzen zu gießen, die es brauchten. In der Rezeption war dann niemand anwesend, aber auf einem Schild stand, dass das Vorstellungsgespräch oben stattfand. Beim Aufstieg bemerkte ich, dass am helllichten Tag Licht an war. Noch einmal habe ich an die Bemerkungen meines Vaters denken müssen und wie wichtig es ist, das Licht auszuschalten. Ich habe den Schalter gefunden und ausgeschaltet.
Oben lag eine „Willkommen“ Fußmatte vor der Tür, die aber auf dem Kopf stand. Ich habe sie umgedreht, weil es das Mindeste war, was ich tun konnte.

Als ich den Wartungsraum betrat, wurde ich von einem Mann begrüßt, der mich mit einem Lächeln in der Ecke beobachtete. Bevor ich mich hinsetzen konnte, sagte er:

— Ich habe Sie vom Fenster aus gesehen. Sie haben die Tür geschlossen, den Gartenschlauch verlegt, das Licht ausgeschaltet und die Fußmatte korrigiert. Wissen Sie, diese kleinen Aktionen sagen viel über einen Menschen aus.

Überrascht schwieg ich, also sprach er weiter:

— Wir suchen jemanden, der zuverlässig ist, detailliert ist und Probleme lösen kann, ohne dass man es ihm sagen muss. Glückwunsch, der Job gehört Ihnen.

Ich war fassungslos. Ich hatte noch nicht einmal eine einzige Interviewfrage beantwortet, aber die unaufhörlichen Sticheleien meines Vaters hatten, ohne dass ich es bemerkt habe, mein Verhalten geprägt.

Als ich an diesem Abend nach Hause kam, wartete mein Vater im Wohnzimmer auf mich. Bevor er etwas sagen konnte, schaute ich ihm direkt in die Augen und lächelte zum ersten Mal, als er fragte: „Warum stand die Tür so lange offen?“

Diesmal habe ich mich nicht geärgert. Ich habe ihm nur geantwortet:

— Danke, Papa!

(Grand Père)

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Johann Wolfgang von Goethe und Rudolf Steiner

Als Rudolf Steiner in jungen Jahren beauftragt wurde, Goethes naturwissenschaftliche Schriften herauszugeben und dazu jeweils eine Einleitung zu schreiben, befasste er sich intensiv mit Goethes Art, die Welt anzuschauen und er entdeckte, dass sie seiner eigenen Art entsprach. Die verfassten Einleitungen fasste er später zu dem Buch "Goethes naturwissenschaftliche Schriften" zusammen. Die Beobachtungen, die er bei seinem Studium zu Goethes Erkenntnistheorie machte, schrieb er in dem Buch "Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung" nieder. Darin kritisiert er auch, dass viele namhafte Zeitgenossen sich auf Goethe berufen würden, diesen aber nur zur Begründung ihrer eigenen Weltanschauung benutzen würden (s. Kap. A.1.)

Rudolf Steiner ist damit einer der großen Goethe-Forscher.
Warum erfahren wir davon in den Schulen nichts?
Steiner kritisiert schon in seinem 1886 verfassten Vorwort, dass man die naturwissenschaftlichen Betrachtungen Goethes stark vernachlässigen und nur seine dichterischen Werke in den Vordergrund stellen würde.
Dies ist bis heute so.

Rudolf Steiners Weltanschauung wurde durch sein intensives Beschäftigen mit der Weltanschauung Goethes in jungen Jahren stark geprägt. In seinen späteren Schriften kritisiert er immer wieder den herrschenden Materialismus und das Vernachlässigen des Geistigen.
Die materialistische Sichtweise hat sich seitdem weiter verbreitet.

Goethes naturwissenschaftliche Beobachtungen stören. Rudolf Steiner stört. Deshalb wird Rudolf Steiner in der Schule überhaupt nicht gelehrt. Und Goethe wird - wie es Rudolf Steiner schon vor 140 Jahren beschrieben hatte - nur dazu benutzt, die eigene Weltanschauung zu begründen. Wenn er überhaupt eine Rolle spielt. Heute kann man Goethe noch mehr totschweigen als vor 140 Jahren.

Am 28. August 2024 begehen wir den 275. Geburtstag von J.W. von Goethe. Vergeblich sucht man außerhalb von Weimar nach Veranstaltungen, die zeigen, dass wir als Volk stolz auf diesen unseren berühmten Denker sind.
Zu den Festlichkeiten in Weimar s. https://www.klassik-stiftung.de/veranstaltungen/goethe-geburtstag/
Nach Aussagen der Klassik-Stiftung hat Weimar übrigens "schon zu Goethes Lebzeiten (...) den Geburtstag des Dichterfürsten als großes öffentliches Fest" gefeiert.

Seien wir stolz auf ihn und lehren wir unsere Kinder die Ehrfurcht vor diesem großen Mann!??

Svenja Herget, Homeschooling wagen